Als Sultan Süleyman an diesem Morgen bei einem Rundgang durch den Harem der jungen Hürrem sein Taschentuch über die Schulter legt, ahnt er nicht, welche Konsequenzen die Wahl dieser unter dem Namen Roxelane in die Geschichte eingegangene Haremsdame für sein Reich haben wird. Denn beide verlieben sich auf der Stelle ineinander, eine Sache, die in der Welt des Harems, der nur dazu dienen soll, Nachkommen für das Haus Osman zu produzieren, nicht vorgesehen ist. Die große Liebe zwischen dem Sultan und der eigensinnigen Tartarin dokumentiert sich nicht nur in gefühlvollen Briefen. Auch politisch gewinnt Hürrem immer mehr an Einfluß. Das gefällt dem Großwesir gar nicht und es startet ein absurdes Spiel um die Gunst des Sultans. Hürrem schreckt vor nichts zurück. Der zweitmächtigste Mann des Reiches kommt schließlich in einem raffiniert gesponnenen Intrigennetz zu Fall. Hürrem wird nicht nur die erste Frau, die ein Sultan jemals offiziell heiratet, sondern sie ebnet auch für künftige Generationen von Haremsfrauen den Weg, die Geschicke des Reiches entscheidend mit zu gestalten.
Nichts ist Wojciech Bobowski geblieben. Tag für Tag schaut er hinaus aufs Meer, den Schiffen nach, die westwärts fahren. Dort war er einst zu Hause, dann kamen die Tartaren und verkauften ihn an den Hof des Sultans. Alles hat er verloren, nur seine Musik konnte man ihm nicht nehmen. Sie hat ihn auf eine gewisse Art und Weise sogar gerettet, schließlich haben ihn seine Kenntnisse zum Musiksklaven und Leiter des Palastchores gemacht. Die neuen Klänge beginnen, seine Seele zu betören. Stundenlang studiert er sie auf seinem Santur, einem Hackbrett, das seine Orgel in diesem fremden Land ersetzt. Ist dieses schrittweise Abgleiten in eine neue Identität das Werk Gottes oder eine grausame Verführung des Teufels? Bobowski sucht Trost in einem Gesangbuch, das er unbemerkt in seine neue Heimat schmuggeln konnte. Die Gesänge schleichen sich bis in seine Träume, doch nach und nach vermischen sie sich mit den Klängen, die er aus den Fenstern des Serails von den Gassen Istanbuls hört: Der Ruf des Muezzin, die Anrufungen der Derwische aus ihren Schreinen, die zeremoniellen Melodien der jüdischen Gebete. Bobowski, dem man mittlerweile den Namen Ali Ufki gegeben hat, erkennt, dass so unterschiedlich die Menschen und Religionen auch sein mögen, letztendlich doch alle nach Heilung durch die Liebe Gottes streben. So macht er sich fieberhaft daran, ein neues Gesangbuch zu komponieren, denn der Himmel macht keinen Unterschied zwischen Christ, Jude und Moslem. In der darauffolgenden Nacht sieht er in einer Vision zusammen einen Derwisch, einen Kantor und einen Chorknaben einen seiner Ilahis singen. Als er die Augen aufschlägt, weiß Ali Ufki, dass es kein Traum war, denn der Wind trägt seine Gesänge von den Moscheen, Synagogen und Kirchen Istanbuls zu ihm herauf ins Serail.
1789: während Europa um Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit kämpft, ringt in Istanbul ein Mann um seine Freiheit als Künstler. Doch ein Leben als Schöngeist ist Selim nicht vergönnt, denn die Bürde des Erstgeborenen verpflichtet ihn, den Thron eines der mächtigsten Reiche seiner Zeit zu besteigen. Wann immer es ihm möglich ist, flüchtet der Sultan in die Welt der Musik. Statt neues Land zu erobern, wetteifert der begnadete Musiker lieber mit den anderen Komponisten des Hofes, darunter der „türkische Mozart“ Dede Efendi, darum, wer die kunstvollsten Skalen erfindet. Selbst ein Derwisch und damit dem Ideal der grenzenlosen Liebe verpflichtet, driftet Selim zusammen mit seinem engstem Freund, Scheich Galip, so weit in die Welt der Poesie ab, dass er die politische Realität aus den Augen verliert. Selim zieht schließlich den Zorn der Janitscharen, der mächtigen Elitetruppe, auf sich. Als er am Abend mit seinen Künstlerfreunden wie immer im Serail zusammensitzt und sich gerade die sehnsuchtsvollen Töne seiner Ney erheben, kommt der Meuchelmörder von hinten und erdrosselt ihn mit der seidenen Schnur.
Ilknur sehnt sich nach Liebe, doch die ist in ihrem Schicksal nicht vorgesehen. Zwar hat der Sultan ein Auge auf sie geworfen, doch ihr Herz gehört einem der Haremswächter. Nicht jeder Bedienstete im Serail hat seine Männlichkeit komplett verloren und als Ilknur schwanger wird, lässt sich diese Liebe nicht mehr geheim halten. Bevor Ilknur eine Giftphiole schlucken kann, um ihrem unausweichlichen Todesurteil zu entkommen, sperrt man sie in eine dunkle Kammer. In der Nacht ritzt sie ihre Geschichte, ihre ganze Verzweiflung über ihr missglücktes Leben im Serail und ihre nicht erfüllten Wünsche und Sehnsüchte an die Wand. Im Morgengrauen kommen die Männer des Sultans und fahren mit ihr auf das Goldene Horn hinaus. Als gerade die Sonne über den Kuppeln der Stadt aufgeht, will man ihr einen Sack über den Kopf stülpen und sie in ihr kaltes Grab stossen. Da erscheint plötzlich der Sultan auf den Zinnen, begnadigt Ilknur und ihren Geliebten und schenkt den beiden die Freiheit. Denn die Geschichte der beiden hat sein Herz gerührt. Die Liebe hat gesiegt.
Pera Ensemble
Barockorchester
3 Solisten (Francesca Lombardi Mazzulli-Sopran, Ahmet Özhan-trad. türk. Gesang, Valer Barna-Sabadus-Contralto)
www.pera-ensemble.com
Pera Ensemble:
Mehmet C. Yesilcay: musikalische Leitung, Ud, Perkussion
Ihsan Özer: Kanun, Halile
Hasan Esen: Viola D'amore, Kemençe, Rebab
Volkan Yilmaz: Ney, Perkussion
Ozan Pars: Perkussion, Tanbur
David Kuckhermann: Perkussion
Matthew Cellan Jones: Theorbe, Barockgitarren
Sandra Sinsch: Historische Oboen
Geschichten zusammengestellt von Sandra Sinsch